Genetische Vielfalt

Genetische Vielfalt (genetische Diversität) umfasst alle Unterschiede im Erbgut (DNA-Sequenz) von Individuen und Populationen einer Art. Sie ist vererbbar und Voraussetzung dafür, dass sich Organismen an Einflüsse anpassen können, die durch ihre belebte (z.B. Krankheitserreger, Konkurrenz, Fressfeinde) und unbelebte (z.B. Trockenheit, Temperatur, Boden-pH) Umwelt einwirken. Somit ist die genetische Vielfalt eine Voraussetzung dafür, dass Populationen und Arten kurz- und langfristig überleben.

Der Verlust der genetischen Vielfalt ist ein aktuelles Thema. In einer kürzlich publizierten Studie (Leigh et al. 2019) wurde global ein Rückgang der genetischen Vielfalt bei wildlebenden Organismen im Umfang von durchschnittlich 6% seit der industriellen Revolution festgestellt. Ob und in welchem Umfang dies auch für Arten in der Schweiz zutrifft, ist bisher nicht bekannt.

Seit 2001 läuft in der Schweiz das Biodiversitäts-Monitoring (BDM), in welchem Veränderungen der Artenvielfalt in Landschaften und Lebensräumen über die Zeit verfolgt werden. Die beiden anderen grossen Monitorings der Schweiz, ALL-EMA (Arten und Lebensräume Landwirtschaft) im Landwirtschaftsland und WBS (Wirkungskontrolle Biotopschutz Schweiz) für die Biotope von nationaler Bedeutung, konzentrieren sich hingegen auf Veränderungen der Lebensräume bzw. der Landschaftselemente. Es gibt heute kein spezifisches Monitoring der genetischen Vielfalt, weder in der Schweiz noch weltweit. Unter Forscher*innen ist die Bedeutung der genetischen Vielfalt für die künftige Anpassung und somit das Überleben von Arten seit langem bekannt. Bisher wurden jedoch der aktuelle Zustand der genetischen Vielfalt und Veränderungen im Verlauf der Zeit nicht im Rahmen eines Monitorings untersucht. Auf Grund von rasanten Entwicklungen in der Sequenziertechnologie sollte dies jedoch heute möglich sein. Im Rahmen dieser Pilotstudie testen wir die Machbarkeit eines Monitorings der genetischen Vielfalt anhand von fünf ausgewählten Arten. 

Leigh et al. 2019: Estimated six percent loss of genetic variation in wild populations since the industrial revolution. Evolutionary Applications 12, 1505-1512.