Aktuell
Ältere Beiträge sind im Archiv abgelegt.
Publikation: Verlinkung verschiedener nationaler Monitorings der genetischen Vielfalt
Im neuen Fachbeitrag im Journal of Applied Ecology wurden die Erfahrungen unserer Pilotstudie für ein Monitoring der genetischen Vielfalt zusammen mit anderen Ansätzen zum Monitoring innerartlicher genetischer Vielfalt verglichen und zusammengefasst. Die Publikation zeigt die internationale Bedeutung des Monitorings genetischer Vielfalt und ist mit diesem Link im Journal of Applied Ecology öffentlich zugänglich.
Ergänzende Probenahme 2022
Nach der grösstenteils erfolgreichen Probenahme bei allen fünf ausgewählten Arten im 2021, werden dieses Jahr noch die fehlenden Baldrian-Scheckenfalter, Melitaea diamina, Population beprobt. Zusätzlich werden für das retrospektive Monitoring der genetischen Vielfalt 200 kontemporäre Populationen des Scheiden-Wollgrases, Eriophorum vaginatum, beprobt. Diese werden möglichst an den gleichen Herkunftsorten wie die 200 historischen Proben aus Sammlungen und Museen gesammelt. Im Moment werden die mehr als 200 historischen Eriophorum und 200 Melitaea Proben im Clean-Lab bearbeitet und bald sequenziert.
Aufgrund des regnerischen und kühlen Wetters im Frühling und Sommer 2021 konnten einige Populationen des Baldrian-Scheckenfalters nicht erfolgreich beprobt werden. Es werden darum dieses Jahr 10-15 Populationen des Baldrian-Scheckenfalter, mehrheitlich im Osten der Schweiz, nach-beprobt. Die Sammelpunkte wurden hierfür spezifischer ausgesucht, um die Chance auf Sammelerfolg im zweiten Versuch zu erhöhen. Da der Baldrian-Scheckenfalter auch retrospektiv untersucht wird, also zusätzlich zu den rezenten Proben auch Proben aus Museen mit möglichst dem gleichen Herkunftsort untersucht werden, wurden die Sammelpunkte zu diesem Zweck leicht optimiert, ohne aber unsere proportionally stratified random sampling Strategie zur beeinträchtigen. Denn es ist wichtig, dass der Fundort des historischen und heutigen Materials möglichst nah beieinander liegen, da ansonsten geografische und nicht zeitliche Unterschiede der genetischen Diversität erfasst werden.
Für die retrospektive Analyse des Scheiden-Wollgrases (Eriophorum vaginatum) werden rund 200 Populationen beprobt. Ziel ist es zu jedem ausgewählten Herbarbeleg, welche zwischen 70 und 150 Jahre alt sind, eine Population möglichst nahe am historischen Fundort zu beproben. Die Schwierigkeit dabei ist es die ca. 100 jährigen Flurbeschreibungen auf den Etiketten der Herbarbelege den heutigen Flurbeschreibungen auf den Karten zuzuordnen und potentielle Fundorte auszusuchen an denen eine Chance besteht, die Art heute noch aufzufinden und zu beproben. Dies ist vor allem schwierig, wenn sich die Landschaft menschenbeding stark verändert hat. Mit dem in diesem Jahr beprobten Populationen und den ca. 100 jährigen Herbarbelegen sollte es möglich sein, Analysen durchzuführen, die Aufschluss darüber geben ob bestimmte lokal angepasste Pflanzen besonders in Bedrängnis geraten sind. Dies ist besonders im Hinblick auf den massiven Verlust der Habitate des Scheiden-Wollgrases (überwiegend Hochmoore) relevant, der in den letzten Jahrhunderten vorwiegend im Mittelland stattgefunden hat. Zudem sollte es möglich sein, festzustellen ob sich die genetische Diversität in dieser Art im untersuchten Zeitraum verändert hat.
Resultate Probenahme 2021
Die Beprobung der fünf Arten war trotz eines feucht-kalten Frühjahrs und eines trüben Sommers vergleichsweise erfolgreich.
Anfangs April 2021 starteten die Teams der Vogelwarte mit der Beprobung der Goldammer (Emberiza citrinella). Sie beprobten im Zeitraum von zwei Monaten rund 120 Vögel. Die geplante Zahl von 150 Proben wurde nicht erreicht, weil das Fangen der Vögel durch den kalten und feuchten Frühling erschwert wurde. Trotzdem wurden Vögel in 23 der 30 geplanten Sammel-Quadrate gefangen.
Die über die Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz (karch) engagierten Expert*innen sammelten zwischen Anfang April und Ende Juli 2021 in 28 der 30 geplanten Quadrate, insgesamt rund 150 Proben der Kreuzkröte (Epidalea calamita) in Form von Embryonen oder Kaulquappen . Oft mussten auf Ersatzquadrate ausgewichen werden, weil zum einen die Kreuzkröte als Pionierart einen sich ständig ändernden Lebensraum besiedelt, aber sie auch eine der wenigen Amphibienarten in der Schweiz ist, bei welcher die Bestände immer noch abnehmen.
Etwas mehr als 220 Baldrian-Scheckenfalter (Melitaea diamina) wurden, in 22 der 30 geplanten Quadrate, von verschiedenen Umweltbüros zwischen Mitte Juni und Mitte August 2021 gesammelt. Das regnerische Wetter und starke Hagelstürme, welche die Vegetation in einigen Untersuchungsgebieten weitgehend zerstörten, erschwerten die Arbeit der Sammelnden und schränkten die Anzahl sonniger Tage ein, an denen die Schmetterlinge flogen und beprobt werden konnten.
Von Anfang Juni bis Anfang August 2021 beprobten die Umweltbüros erfolgreich 30 Populationen und 300 Individuen des Scheiden-Wollgrases (Eriophorum vaginatum). Zweimal kam ein Ersatz-Sammelquadrat zum Einsatz, da die Art an der vorgesehen Lokalität entweder nicht mehr oder in zu geringer Anzahl vorkam.
Die Beprobung der Kartäusernelke (Dianthus carthusianorum) durch die Umweltbüros war ebenfalls erfolgreich. Es wurden 31 Populationen und 330 Individuen beprobt zwischen Ende Mai und Anfangs Juli 2021. Sechs Ersatz-Sammelquadrate kamen zum Einsatz; häufig in Regionen, in welchen die Kartäusernelke künstlich angesät wurde.
Die random stratified proportional Sammelstrategie hat sich als sehr effizient erwiesen und wir haben den Klima-Raum der einzelnen Arten sehr gut abgedeckt, wie man in der untenstehenden Figur am Beispiel des Scheiden Wollgras gut erkennen kann. Die zufällig beprobten Individuen und Populationen (rote Punkte) decken sehr gut den erwarteten Klima-Raum (graue Punkt) ab. Der Klima-Raum deckt auf der X-Achse den Bereich von tief und hoch gelegenen Regionen ab, wie man an der Jahrestemperatur erkennen kann, und auf der Y-Achse regenreichen und regenarmen Regionen.
Die Arbeiten für die retrospektive Analysen mit den Museumsproben laufen zurzeit. Die DNA von Proben, die älter als 40 Jahre sind, ist im Vergleich zu DNA aus frisch gesammelten Proben stark fragmentiert, meist kürzer als 70 Basenpaare, und beschädigt, was sie sehr anfällig für Kontaminationen durch neue und frische DNA von Menschen oder anderen im Labor bearbeiteten Proben macht. Dadurch ist der Einsatz von modernsten Reinraumlabors erforderlich, wie sie am Institut für Evolutionäre Medizin (IEM) der Universität Zürich verfügbar ist. Das Reinraumlabor verfügt über alle notwendigen Geräte für die verschiedenen Phasen der Analyse alter DNA, darunter ein Überdrucksystem, ein UV-Sterilisationssystem und mehrere isolierte Arbeitsplätze, an denen das Forschungspersonal mit Ganzkörperschutzausrüstung arbeitet. Nur dank dieses vorsichtigen Ansatzes sind die Gewinnung und Sequenzierung von DNA aus Belegexemplaren auf zuverlässige Weise möglich und rechtefertig die Beprobung der wertvollen Herbar- oder Sammlungsexemplare. Zurzeit werden im Reinraum je ca. 200 Belegexemplare des Scheiden-Wollgrases und des Baldrian-Scheckenfalters aus Schweizer Sammlungen bearbeitet.
Die Erstellung dDie Erstellung der Referenzgenome der fünf Arten sind weit vorgeschritten und dank neuer Sequenziertechnologien (PacBio HiFi Reads und OMNI-C Scaffolding) hat die Qualität der Referenzgenome unsere Erwartungen übertroffen. Die meisten Genome sind beinahe auf Chromosomen-Level assembliert. Dies gilt sogar für die Kreuzkröte, welche das grösste Genom der fünf Arten hat. Mit 3.8 Milliarden Basenpaaren ist es sogar grösser als das menschliche Genom.
Auch dieses Jahr warten grosse Arbeiten auf uns. Die DNA der 1’120 gesammelten Proben wird extrahiert, sequenziert und bioinformatisch ausgewertet. Zusätzlich gehen die Arbeiten bei den Proben aus den Museen weiter. Nach der Extraktion und der Sequenzierung der DNA werden auch diese Daten bioinformatisch analysiert.
Stakeholder Manuskript publiziert
Die schweizweite Stakeholderbefragung, welche im Rahmen der Machbarkeitsstudie für ein Monitoring der genetischen Vielfalt durchgeführt wurde, ist nun in der Fachzeitschrift Conservation Genetics publiziert! Die Arbeit ist mit diesem Link öffentlich zugänglich: https://link.springer.com/article/10.1007/s10592-021-01379-6
Retrospektive Analysen
Für die retrospektive Analyse konnten für das Scheiden-Wollgras über 700 und für den Baldrian-Scheckenfalter über 1’000 Belege in Sammlungen in der Schweiz — von Genf bis Basel — gefunden werden. Jeder Beleg wurde, wo nicht schon gemacht, in eine Datenbank aufgenommen und der Fundort anhand der Originaletikette erfasst und georeferenziert. In einem nächsten Schritt wird nun eine Auswahl der Belege getroffen. Über einen Teil unserer Recherchen zu Sammlungsbelegen des Baldrian-Scheckenfalters ist gerade kürzlich ein Bericht verfasst worden und in der der ETH Zeitschrift GLOBE veröffentlich worden: https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2021/06/stumme-zeugen.html
Die Probenahme hat begonnen
In diesem Frühling hat die Saison der Feldarbeit begonnen. Am frühesten starteten die Teams der Vogelwarte. Anfangs April starteten sie im Tessin und im Graubünden, seither wurden schweizweit 117 Goldammern von der Vogelwarte gefangen, beprobt und wieder freigelassen. Seit Ende April rufen bereits die ersten Kreuzkröten. Auf dieses Zeichen haben die Mitarbeitenden der karch gewartet. Die Suche nach Kreuzkrötenpopulationen an den geplanten Sammelpunkten ist aber nicht immer erfolgreich und oft kommen so die als Reserve geplanten Sammelpunkte zum Einsatz. Denn durch den Charakter des Habitates der Kreuzkröte, welche Pionierstandorte wie zum Beispiel temporäre Tümpel in Kiesgruben und Auen sind, sind die meisten Habitate nicht lange beständig. Die Mitarbeitenden der karch, mit ihren Kenntnissen der lokalen Laichgebiete der Kreuzkröte, sind darum sehr wertvoll. So können bereits im vorherein nicht mehr aktuelle Laichgebiete von der Liste der Sammelpunkte gestrichen werden und wo nötig neue Sammelpunkte erfasst werden. Auch das Beproben der Populationen der Kartäusernelke und des Scheiden-Wollgras hat gestartet. Als letztes wird je nach Wetterlage das Sammeln der Proben des Baldrian-Scheckenfalters beginnen. Wir sind gespannt welche Tücken dieser für unsere Experten bereit hält.
Erstellung der Referenzgenome
Aus den Proben der fünf Arten wird für je ein Individuum hochmolekulare DNA extrahiert und mit der neuesten «Long-Read Sequenzier-Methode (PacBio Sequel II; HiFi reads) das ganze Genom (Erbgut) sequenziert. Diese langen DNA-Fragmente sind nötig, damit das ganze Genom präzise und möglichste lückenlos zusammengesetzt werden kann. Die für jede Art neu assemblierte Genome dienen dann als Referenzgenom und sind die Grundlagen für die weiteren genetischen Analysen. Sie stellen eine Art Vorlage dar wogegen die extrahierten und sequenzierten DNA-Stücke jedes einzelnen Individuums verglichen und genetische Variationen erkannt werden. Da das Assemblieren der Referenzgenome einen komplizierten und komplexen Prozess ist werden verschiedene Spezialisten einbezogen.
Aktuell Mai 2021, Proben aus Sammlungen
Für das Scheiden-Wollgras (Eriophorum vaginatum) und den Baldrian-Scheckenfalter (Melitaea diamina) werden wir die genetische Diversität auch in der Vergangenheit untersuchen. Dazu wurden zahlreiche Museen und Herbarien angefragt ob in ihren Sammlungen mindestens 50 Jahre alte Belege dieser beiden Arten vorhanden sind. So fanden wir 767 Belege des Scheiden-Wollgrases und ca. 1’400 Belege des Baldrian-Scheckenfalters, die für unsere Untersuchungen in Frage kommen, was die Entnahme eines kleinen Stücks Gewebe bedingt. Wichtig bei der Auswahl der zu sequenzierenden Individuen aus den Sammlungen ist nun, wo die beiden Arten in der Vergangenheit gesammelt wurden und wie häufig. Um die geographischen Informationen dieser alten Belege zu erhalten, müssen diese Belege anhand der alten handschriftlichen Etiketten georeferenziert werden (siehe Bilder). Anhand von den genannten Ortschaften auf der Etikette wird ein Polygon definiert wo die Proben ursprünglich gesammelt wurden. Die Koordinaten werden in einer Datenbank archiviert, die als Grundlage zu Probenauswahl dient. Das Beispiel von Eriophorum aus dem Jahre 1907 zeigt wie stark sich die Landschaft verändert hat und die Lebensräume den Siedlungen weichen mussten.
Aktuell Dezember 2020
Die Gewebeproben für das Erstellen der Referenzgenome der fünf Arten sind im Labor angekommen. Das Referenzgenom beinhaltet die gesamte erblichen Information eines Individuums (DNA). Es wird benötigt um später die genetischen Unterschiede zwischen verschiedenen Individuen einer Art sichtbar zu machen. Im Labor werden momentan für die Kreuzkröte, den Baldrianscheckenfalter und die Goldammer verschiedene Extraktionsmethode getestet. Für die Erstellung eines möglichst lückenlosen Genoms braucht es darum DNA Fragmente von maximaler Länge.
Eine Strategie für das Sammeln der Proben der fünf Studienarten wird entworfen. Eine möglichst zufällige Auswahl der Sammelorte wird angestrebt um die Vergleichbarkeit zwischen den Arten zu gewährleisten. Anhand von Information zur Verbreitung der Arten aus den InfoSpecies Datenbanken und weiteren Quellen wird die schweizweite Verbreitung skizziert. Daraus können dann zum Beispiel zufällig die Sammelpunkte ausgewählt werden.